Andreas Eduardo Frank (2018)

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Biografie

Andreas Eduardo Frank (*1987, Nürnberg) ist Komponist, Medienkünstler und Performer. Er studierte an der HFM Würzburg sowie am elektronischen Studio der Musikhochschule Basel. Sein Oeuvre ist vielseitig und geprägt durch die enge Zusammenarbeit mit anderen jungen MusikerInnen und KünstlerInnen auf internationaler Ebene.
Frank arbeitet in seinen Werken an der Schnittstelle zwischen real und virtuell, zwischen Musik, Performance, Video und Theater. Seinen Stücken geht meist eine poetische Überidee voran, die sich auf komische bis nihilistische Weise in der Musik kontextualisiert. Zahlreiche Aufführungen seiner Werke fanden im europäischen Raum, in Asien und in Amerika statt. Er wurde mehrfach für sein Schaffen ausgezeichnet.

Biography

Andreas Eduardo Frank (*1987, Nuremberg, Germany) is a composer, media artist and performer. He studied at the Würzburg Music Academy and at the Electronic Studio of the Basel Music Academy. His oeuvre is versatile and marked by close collaboration with other young musicians and artists on an international level.
In his works, Andreas explores the interface of real and virtual, of music, performance, video and theatre. His pieces are usually preceded by an overarching poetic idea, which is then contextualized in the music in a manner that may range from comical to nihilistic. Numerous of his works were performed in Europe, Asia, and America. He has won several awards for this work.

 

Aufenthalt Positano

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Ein Ankommen

„Meine Reise begann bereits eine Woche vor dem geplanten Positano-Aufenthalt mit einem kurzen Süditalien-Trip.
Ich flog zunächst von Basel nach Neapel, von dort über Salerno mit der Fähre nach Trapani (Sizilien) und zurück nach Salerno, um von dort aus nach Positano zu fahren. Die Dichte an Orten in kurzer Zeit und die zurückgelegten Strecken waren typisch für meinen aktuellen Lebensstil und ich freute mich extrem darauf, endlich länger als eine Woche an einem Ort zu sein!

Schließlich fuhr ich am 3.9. früh morgens mit dem Bus von Salerno aus zur Casa Orfeo.
Die Strecke von Salerno zur Casa Orfeo beträgt ca. 40 Kilometer, jedoch braucht man etwa drei Stunden, um mit dem Bus von Salerno nach Positano zu gelangen, denn für den ÖV gibt es nur eine sehr schmale Zufahrtsstraße, die sich abenteuerlich an den überwältigenden, ins Meer stürzenden Hängen der Amalfiküste entlangschlängelt.
 Allgemein wäre hier anzumerken, dass man sich in dieser Region nicht auf den ÖV verlassen sollte.

Angekommen in Positano, wurde ich, bei bestem Wetter, herzlich von der Hausherrin in der Casa Orfeo empfangen und eingewiesen. Sie wohnte im unteren Teil der Casa Orfeo und war äußerst nett und zuvorkommend. Wir führten wunderbare Konversationen, aßen hin und wieder zusammen zu Abend und entwickelten mit der Zeit eine Freundschaft!

Da ich für die Dauer meines Aufenthalts der einzige Stipendiat auf dem Anwesen war, hatte ich das Privileg, in dem oberen Teil des Anwesens mit seinen großzügigen Räumlichkeiten zu residieren. 
Es war im Prinzip ein ganzes Haus, mit riesigem Arbeitszimmer, zwei Steinways, einem eigenen Klavier im Schlafzimmer und einem 3-Meter-Schreibtisch für mich allein. 
Ein Traum! Beste Arbeitsvorraussetzungen also, wäre da nicht… die Einsamkeit!

Denn ich stellte fest, dass ich eigentlich noch nie in meinem Leben alleine gewohnt habe
und das weitläufige Anwesen mit seinen großen Räumen, dem wunderbaren Ausblick aufs Meer und die Ruhe, die dem Ort innewohnte, meine Gefühle verstärkten.
Vor allem die Ruhe war es, die mich aus der Bahn warf. So musste ich mich erst einmal daran gewöhnen. In Positano gibt es – vielleicht auch durch seine Abgeschiedenheit – sehr viele Eigenheiten zu entdecken: angefangen beim Esel, der morgens schreit, über die feinen Essgewohnheiten, bis hin zur Wolkenbildung, die aufgrund der Hanglage und des mit dem Hang kollidierenden Meeres ganz besonders ist.
 Als sich nun dieses Gefühl der Einsamkeit in mir breit machte, dachte ich, dass dies doch komisch sei, da der Komponist an und für sich nicht in der Gruppe arbeitet, sondern meist ein Einzelgänger ist und ich doch total aufblühen müsste in diesem Umfeld.
 Jedoch hatte ich in meinem sonstigen Alltag – auch oder vor allem dadurch, dass ich immer an verschiedenen Orten arbeitete – stets Menschen um mich herum, die ich vor und nach oder gar während des Komponierens antraf. Ich musste also erstmal ankommen und zu mir selbst finden… und das Dauerte.

 

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So begann ich, mich in den ersten zwei Wochen verstärkt mit mir selbst zu beschäftigen. Meine Tage starteten mit Yoga und Frühstück, gefolgt von abwechselndem Denken, Schreiben, Ideenentwickeln, Sounds-Schrauben, wieder Denken, und dazwischen lagen inspirierende Spaziergänge durch und um Positano.
Doch um ehrlich zu sein, das Denken nahm den größten Platz ein. Endlich hatte ich Zeit und den Ort gefunden, oder besser gesagt mir die Zeit genommen, um an diesem magischen Ort über das Vergangene nachzudenken und infolgedessen besser in die Zukunft arbeiten zu können! 
Durch die anfängliche Einsamkeit und Zeit mit sich selbst, fühlte ich mich, als wäre ich all die Jahre gefangen gewesen in einem Kontinuum aus Ereignissen, von denen eines auf das nächste Klatschte und zwischen denen nie genug Platz war, um zu rekapitulieren. Ich ging also meine künstlerische und persönliche Vergangenheit durch, analysierte Werke und Aufführungen, um aus Fehlern zu lernen und Stärken für zukünftige Projekte auszubauen.
Ich befand mich also auf einer Art Weg zur Selbsterkenntnis und das war gut so! Denn der Weg war das Ziel! 
Bereits in Positano wurde mir klar, dass diese Zeit des Reflektierens und Ankommens extrem wichtig und folgenreich für mich sein würde. Denn nach einiger Zeit passierte etwas Eigenartiges: Die Einsamkeit schlug durch die Beschäftigung mit mir selbst in Kreativität und Selbstbewusstsein um. Es ist schwer zu beschreiben, ich hatte das Gefühl, dass ich durch die Zeit in Positano wirklich wusste, was ich machen wollen würde (und das nicht nur auf kompositorischer Ebene) und es pendelte sich – nach einer langen Zeit des Zweifelns – ein großes Selbstvertrauen zu den entwickelten Ideen und Projekten ein. Ich hatte so langsam begriffen, wie der Ort mit seinen wenigen Einheimischen und vielen Touristen, seinen großen Kontrasten zwischen Berg und Meer, funktionierte. Ich hatte mich eingelebt. 
Leider musste ich einhergehend mit dieser Feststellung realisieren, dass meine Zeit in Positano schon bald vorüber sein würde… und ich mir nicht vorstellen konnte, wieder zurück in den Alltag zu kommen… 
Ich nutzte die letze Woche, um die Gegend um Positano herum zu erkunden, was in einer 
(durch einen verpassten Bus…) zehnstündigen Wanderung entlang des Höhenwegs der Amalfi-Küste gipfelte.

Am 2. Oktober, am Ende meines Aufenthaltes, hatte ich das Gefühl, noch einen Monat länger zu brauchen, um die Reise, die ich in der Casa Orfeo begonnen hatte, zu einem Ende zu bringen.
 Dennoch war die Zeit äußerst Produktiv und entschleunigend! Ich bin äußerst positiv zurückgekehrt und dankbar für diese einmalige Möglichkeit.“

Andreas Eduardo Frank, 8. November 2018